Das Dresdner Zukunftsforum hat sich in den vergangenen vier Jahren als interessante Plattform zur Diskussion über Perspektiven von IT und World Wide Web etabliert. Zur mittlerweile vierten Auflage hat der Träger, T-Systems Multimedia Solutions, der damit gleichzeitig sein 15-jähriges Bestehen feierte, die beiden IT-Legenden Ray Kurzweil und Tim Berners-Lee nach Dresden geholt. Beide ließen noch einmal die Entwicklung des World Wide Web jeweils aus ihrer Sicht Revue passieren und gaben einen Ausblick auf die von ihnen erwartete weitere Entwicklung.
Berners-Lee stand am Ausganspunkt seiner Arbeit 1989 vor dem bereits vorhandenen, aber aus zahlreichen, inkompatiblen Informationssystemen bestehenden Internet. Dessen zunehmende Nutzung bedingte einen Bereich, der sich unabhängig von verwendeter Hard- und Software, Sprache und Anwendung nutzen ließ. Die dazu am CERN von verschiedenen Anbietern vorgestellten Systeme zur Archivierung erfüllten jeweils nur einen Teil der Anforderungen – und hätten jeweils einen enormen Migrationsaufwand mit sich gebracht.
Tim Berners-Lee: Das Internet auch für die 80 Prozent der Menschen verfügbar machen, die es derzeit noch nicht nutzen (Bild: T-Systems Multimedia Solutions).
Also konzipierte Berners-Lee im Rahmen des Hypertext-Projektes etwas, das die verlangten Anforderungen erfüllte und sich schnell auch außerhalb des CERN durchsetzte: das World Wide Web. Für abgeschlossen hält der Forscher die Entwicklung jedoch noch lange nicht: Wenn man ihn frage – was oft vorkomme -, wann er gemerkt habe, dass es mit dem WWW richtig losgehe, dann antworte er stets, das sei gerade erst der Fall.
Manche Probleme aus den Anfangszeiten des Webs sieht Berners-Lee heute immer noch – wenn auch in etwas anderer Form. Beispielsweise finde Social Networking heute auf zahlreichen, so gut wie gar nicht verbundenen Plattformen statt. Das sei eine Parallele zu den Informationsinseln der Vor-Web-Zeit. Er hält es jedoch für wichtig, dass Mitglieder unterschiedlicher Plattformen miteinander kommunizieren und sich vernetzen können. „Das ist eine Herausforderung, der sich die Social Networks stellen müssen.“
Außerdem stört Berners-Lee, dass wichtige Daten im WWW oft nicht in einer wirklich nützlichen Form vorliegen: „Es kann doch nicht wahr sein, dass man, um die Leistungswerte von zwei Autos zu vergleichen, sich bei jedem Hersteller ein PDF herunterladen muss, um von dort die Daten dann von Hand in eine Tabelle einzugeben.“ Als Lösung sieht Berners-Lee das von ihm mitinitiierte Konzept von Linked Open Data.
Forderung: WWW für alle
Eine andere Baustelle sei die wachsende Kluft zwischen den 20 Prozent der Menschheit, die das Internet nutzen und den 80 Prozent, die keinen Zugang zum Internet haben. „Man könnte einwenden, dass viele dieser Menschen vor dem Internet erst einmal sauberes Wasser und Impfstoffe benötigen“, so Berners-Lee. „Ich denke aber, dass sie mit einem Internetzugang auch die Möglichkeit erhalten, sich darüber zu informieren, wie sie ihre Lebensbedingungen verbessern können. Daher ist er so wichtig.“
Die Verbreitung von Internetzugängen soll die von Berners-Lee 2009 gegründete World Wide Web Foundation unterstützen. Der PC wird dabei für die wenigsten, bisher noch nicht erreichten Menschen eine wichtige Rolle spielen: Berners-Lee geht davon aus, dass die Versorgung am ehesten mit mobilen Geräten möglich ist.
Außerdem engagiert sich der studierte Physiker an der Erforschung des von ihm ins Leben gerufenen und inzwischen völlig unübersichtlich gewordenen Konstrukts. Das Web sei in der Geschichte der Menschheit ohne Beispiel – sowohl was die Auswirkungen als auch die Geschwindigkeit seiner Ausbreitung anbelange. Wolle man, dass es sich möglichst positiv auswirke, müsse man erst einmal verstehen, wie es funktioniere. Dafür hat Berners-Lee ebenfalls eine Organisation ins Leben gerufen: Webscience Trust mit Sitz an der Universität von Southampton.
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